Terrorismus: Steinmeier in der Gedächtniskirche: Judenhass nicht dulden
Bei einer interreligiösen Feier in der Gedächtniskirche wird an den blutigen Angriff der Hamas auf Israel erinnert. Der Bundespräsident stellt sich an die Seite Israels, aber er hat auch eine Mahnung.
Beim Gedenken an den Terrorangriff der Hamas auf Israel hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bedrohung von Juden in Deutschland scharf verurteilt. Auch die Forderung auf Demonstrationen nach einem Nahen Osten ohne Israel sei Antisemitismus und niemals zu dulden, sagte das Staatsoberhaupt. Zugleich äußerte Steinmeier bei einer interreligiösen Feier in der Gedächtniskirche Verständnis für Schmerz, Trauer und Angst um Angehörige auf allen Seiten des Kriegs im Nahen Osten.
Nötig sei eine politische Perspektive für ein Ende des Kriegs, forderte Steinmeier. Es gehöre zur deutschen Verantwortung, an der Seite Israels zu stehen, wenn die Heimstatt der Jüdinnen und Juden angegriffen werde. Doch sagte er auch: "Dieser Krieg hat schon jetzt zu viele Menschen getötet, zu viel Leid gebracht: für Israelis und für Palästinenser, und jetzt auch für die Menschen im Libanon."
Der Bundespräsident äußerte sich bei einer interreligiösen Feier in der Gedächtniskirche in Berlin - einer von vielen Gedenkakten in ganz Deutschland. Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der radikal-islamistischen Hamas und anderer Gruppen etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den bis heute andauernden Gaza-Krieg.
"Das Leid ist verantwortet von der Hamas"
Der evangelische Berliner Landesbischof Christian Stäblein erklärte in der Gedächtniskirche, das Massaker vom 7. Oktober sei seit der Schoah einmalig und unaussprechlich. "Aber wir müssen es sagen, auch um denen entgegenzutreten, die es leugnen oder sich über die Toten erheben und gar jubeln", sagte er. Stäblein erinnerte an das Leid der israelischen Opfer und ihrer Angehörigen, aber auch der Menschen im Gazastreifen und im Libanon, wo Israel gegen Hamas und Hisbollah vorgeht. "Das Leid ist verantwortet von der Hamas und der Hisbollah."
Rabbiner Andreas Nachama sagte in seiner Predigt, Frieden in Israel könne nur funktionieren, wenn auch jenseits seiner Grenzen Frieden herrsche. Seine Vision sei, dass im Nahen Osten Israelis, Palästinenser und andere Völker friedlich zusammenleben.
Namen der Opfer verlesen
Das Gedenken begann in Berlin bereits am frühen Montagmorgen. Am Brandenburger Tor und Dutzenden anderen Orten weltweit verlasen Aktivisten um 5.29 Uhr - dem Beginn des Angriffs auf Israel vor einem Jahr - die Namen von 1.170 damals Ermordeten und 255 Entführten.
Am Vormittag nahm der Regierende Bürgermeister Kai Wegner an einer Feier in der jüdischen Gemeinde Chabad teil. "Der 7. Oktober 2023 wird für immer als ein Tag des Terrors und der Trauer in Erinnerung bleiben", schrieb der CDU-Politiker auf der Plattform X. "Der barbarische Terrorangriff auf Israel hat nicht nur das israelische Volk, sondern auch uns in Berlin tief erschüttert."
"Es grassiert eine Welle des Antisemitismus"
Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld beklagte bei einer Gedenkveranstaltung des Abgeordnetenhauses wachsenden Judenhass. "Es grassiert eine Welle des Antisemitismus in dieser Stadt", sagte die CDU-Politikerin. "Natürlich darf man in unserer Demokratie gegen israelische Regierungspolitik demonstrieren", sagte Seibeld. "Aber Gewalt darf nie ein Mittel der Auseinandersetzung sein."
Die Bedrohungslage hat sich nach ihren Worten seit dem Hamas-Angriff auch in Berlin verändert. Das gelte vor allem für hier lebende Jüdinnen und Juden, aber zum Beispiel auch für andere Menschen, die sich mit Israel öffentlich solidarisch zeigten oder Juden in Berlin unterstützten. Klar sei aber: "Berlin steht an der Seite Israels, Berlin steht an der Seite der Israelis."
Israels Botschafter Ron Prosor wies als Gast der Veranstaltung internationale Kritik am militärischen Vorgehen Israels gegen die Hamas im Gazastreifen und gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon zurück. Das Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 habe gezeigt, mit wem man es zu tun habe: "Mit Leuten, die uns vernichten wollen."
2.300 Polizisten im Einsatz
Um die Gedenkveranstaltungen und die Demonstrationen in Berlin zu sichern, hatte die Polizei etwa 2.300 Sicherheitskräfte im Einsatz. Mehr als 1.000 Teilnehmer werden nach der Feier mit Bundespräsident Steinmeier bei einer stillen Demonstration zum nahegelegenen Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße erwartet. Ebenfalls 1.000 Menschen sind für eine Mahnwache auf dem Bebelplatz in Mitte (18.00 Uhr) angemeldet.
Bei zwei propalästinensischen Demonstrationen sind am Südstern in Kreuzberg um 17.00 Uhr 300 und am Potsdamer Platz um 18.00 Uhr 200 Teilnehmer angegeben. Am Sonntag war eine ähnliche Demonstration nach Stein- und Flaschenwürfen auf Polizisten vorzeitig beendet worden.