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Oscars 2024: Historische Chance vertan: Warum Emma Stones Oscar-Sieg verdient, aber dennoch falsch ist

Stern 
Oscars 2024: Historische Chance vertan: Warum Emma Stones Oscar-Sieg verdient, aber dennoch falsch ist

Mit dem zweiten Oscar für Emma Stone entspricht die Academy zwar den allgemeinen Erwartungen, beraubt sich aber auch eines echten Hollywood-Moments: Denn ein Sieg von Lily Gladstone wäre so viel bedeutsamer gewesen.

Es war eine der wenigen kleinen Überraschungen bei der diesjährigen Oscar-Verleihung: Emma Stone gewann den Preis als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in "Poor Things". Überwältigt nahm sie die Trophäe entgegen und schien selbst kaum glauben zu können, was gerade passierte. Stone ist eine würdige Siegerin, keine Frage – und dennoch lässt ihr Triumph viele enttäuscht zurück. Die Academy hat hier die historische Chance vertan, erstmals eine indigene Amerikanerin für ihre Schauspielkunst zu ehren.

Lily Gladstone Golden Globe 20.05 20.08Lily Gladstone aus Martin Scorseses Epos "Killers of the Flower Moon" war die erste Native American überhaupt, die je für einen Schauspiel-Oscar nominiert worden ist. Eine traurige, eine bezeichnende Verspätung, und doch standen alle Zeichen darauf, dass die Academy wenigstens Abbitte leisten würde, indem sie Gladstone auszeichnet, auch stellvertretend für viele verpasste Gelegenheiten der Vergangenheit. Wie kompliziert die Beziehung zwischen Hollywood und der indigenen Gemeinschaft ist, hatte schon der berühmte Skandal von 1973 gezeigt: Damals schickte Marlon Brando die Aktivistin Sacheen Littlefeather auf die Bühne, um seinen Oscar abzulehnen und gegen die schlechte Behandlung der Native Americans in der Filmindustrie zu protestieren. Das Publikum buhte. 

Auch der deutsche Film profitiert von Neuausrichtung der Oscars

Erst 2022 entschuldigten sich die Oscar-Verantwortlichen dafür. Sieben Jahre, nachdem der Hashtag #OscarsSoWhite getrendet und auf ein strukturelles Problem innerhalb der Academy hingewiesen hatte. Seither bewegt sich etwas in der Filmindustrie, langsam zwar nur, aber trotzdem stetig: So wurde der Pool an Stimmberechtigten bei den Oscars jünger, weiblicher und insgesamt diverser. Es gibt mittlerweile gewisse Minderheiten-Quoten, die erfüllt werden müssen, um beispielsweise als Bester Film überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Die Oscars haben sich noch dazu verstärkt für internationale Produktionen geöffnet, wovon nicht zuletzt auch der deutsche Film dieses Jahr ungemein profitiert hat, mit Nominierungen für Sandra Hüller, İlker Çatak und Wim Wenders.

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Trotzdem gilt: Für indigene Schauspieler ist es ungleich schwerer, überhaupt Angebote, Rollen, Jobs zu bekommen, geschweige denn, für Preise nominiert zu werden. Umso schöner war es in den vergangenen Monaten, den Weg von Gladstone zu erleben. Dass es ein Rennen zwischen ihr und Stone werden würde, war früh klar. Dabei waren die Darbietungen so unterschiedlich wie Tag und Nacht: Während Stone sich mit dem ganzen Körper in eine laute, anarchische, freizügige Performance wirft, überzeugt Gladstone mit subtiler Schauspielkunst und trägt ganze Szenen nur mit ihren Blicken. 

Hollywood braucht neue Gesichter

Cillian Murphy Oscar Gewinn 11:37Erst hatte Emma Stone die Nase vorn, sie gewann sowohl den britischen Filmpreis Bafta als auch den Golden Globe als beste Darstellerin in einer Komödie. Zuletzt aber wetteten wieder viele auf einen Sieg Gladstones. Sie hatte den Golden Globe als beste Darstellerin in einem Drama in der Tasche und setzte sich bei den renommierten SAG-Awards als Gewinnerin durch. Der Branchenpreis wird von Schauspielerinnen und Schauspielern vergeben und gilt als besonders wegweisend. 

Doch nicht nur die historische Komponente wäre bedeutsamer gewesen, generell täte der Veranstaltung frischer Wind gut, damit wir nicht immer die ewig gleichen Gesichter sehen. Wie schwer es selbst für ein Ausnahmetalent wie Gladstone noch immer ist, in Hollywood Fuß zu fassen hat, zeigt eine Anekdote, die sie im Vorfeld erzählt hat: Kurz bevor Martin Scorsese sie für die Rolle der Mollie Burkhart buchte, wollte die 37-Jährige ihre Schauspielkarriere an den Nagel hängen. Sie hätte sich fast für die Weiterbildung zu einem Kurs über Datenanalyse eingeschrieben. Dann kam die große Oscar-Chance.

Die Filmbranche liebt Geschichten über Wiedergutmachung, und sie liebt Außenseiter, die gewinnen. Umso bedauerlicher, dass die Oscars diesen echten Hollywood-Moment ausgelassen haben.

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