CDU-Parteitag: Erdbebensicher ist die Lage für Friedrich Merz nicht

Stern 
CDU-Parteitag: Erdbebensicher ist die Lage für Friedrich Merz nicht

Mit seiner Wiederwahl als CDU-Chef rückt Friedrich Merz seinem Ziel näher, endlich das Land zu regieren. Oder?

Spulen wir mal kurz drei Jahre zurück. Messe Berlin, Januar 2021. Friedrich Merz verliert zum zweiten Mal das Rennen um den CDU-Vorsitz, diesmal gegen Armin Laschet. Doch anstatt demütig seine Niederlage zu akzeptieren, bietet Merz der Kanzlerin öffentlich seinen Wechsel ins Kabinett an. Es ist die Hybris eines Mannes, der glaubte, auserwählt zu sein, um die Union von Merkel zu befreien. Der aber krachend an ihrem Lager scheitert. Die halbe Partei lachte. Merz schien Geschichte. 

Gemessen daran verläuft für Merz an diesem Montag alles bestens. Er steht im Berliner Estrel-Hotel, niemand lacht, alle klatschen. Die Christdemokraten wählen den Sauerländer mit knapp 90 Prozent zu ihrem Vorsitzenden. Das sind nicht 100 Prozent. Aber erstens ist für jemanden, dessen Versuch in die Politik zurückzukehren, vor drei Jahren schon gescheitert schien, die eine oder andere fehlende Stimme verkraftbar. Und zweitens hat eine andere deutsche Volkspartei keine guten Erfahrungen damit gemacht, einen Vorsitzenden mit 100 Prozent auszustatten. Das Schicksal von Martin Schulz ist auch in der CDU noch in Erinnerung.

Das Wort solide trifft den Parteitagsstart für Merz wohl am besten, glänzend ist er jedenfalls nicht. Überraschungsfrei, auch etwas blutleer ist schon seine Rede. Der Auftritt in Kurzform: Friedrich Merz dankt Friedrich Merz für die Wiederaufbauarbeit der vergangenen zwei Jahre, umarmt aber nebenher so viele Menschen, dass immerhin niemand den Eindruck bekommt, vorne stehe ein übergeschnappter Parteichef. Das Comeback als Gemeinschaftswerk, das ist eine schöne Geschichte.

Blitzanalyse Merz 13.19

Kurz noch Max Weber gelesen?

Und sonst? Tritt Merz so betont verantwortungsethisch auf, als habe er vorher die gesammelten Werke Max Webers gelesen. Leicht langatmig referiert er, was er reformieren würde, ohne dabei allzu plump wie jemand herüberzukommen, der schleunigst ins Kanzleramt will. Er erinnert an Helmut Kohl, ohne wie jemand zu wirken, der den Altkanzler am liebsten klonen möchte. Merz spricht in solch groben Zügen über die Gefahren aus Russland und China, dass er jeden Faktencheck bestehen würde. Bloß keine Fehler machen –das ist an diesem Tag das Ziel. 

Warum sollte er auch ins Risiko gehen? Die Bundestagswahl ist nur noch ein gutes Jahr entfernt und wenn es nicht mit dem Teufel (oder Markus Söder) zugeht, ist Merz die Kanzlerkandidatur sicher. Seinen Rivalen in der CDU fehlt der Hebel, um sie ihm noch zu nehmen, weshalb Merz schon vor dem Parteitag klar gewesen sein dürfte, dass er nicht viel mehr machen muss, als seinen Vorsprung zu halten. Catenaccio-Politik. Schön ist das nicht. Aber effektiv. 

Bei den Sozialdemokraten um Olaf Scholz müsste langsam Panik ausbrechen, säßen im Estrel-Hotel nicht zwei große Elefanten im Raum, die für den Moment zwar zahm sind, sich aber jederzeit losreißen können. 

Warum sie in der CDU jetzt schwer aufgeregt sind

Der eine Elefant heißt Markus Söder. Weil der CSU-Vorsitzende im vergangenen Wahlkampf sein gesamtes Zerstörungspotential zeigte, kann niemand in der Union davon ausgehen, dass Söder Merz einfach so Richtung Kanzleramt marschieren lässt. Natürlich ist die Lage eine andere als 2021. Die Frage ist nur, ob Söder ein anderer ist. Die Wahrscheinlichkeit? Tendiert gegen null. Am Dienstag hält Söder ein "Grußwort". In der CDU sind sie deshalb schon seit Tagen schwer aufgeregt.

STERN PAID 19_24 Grünen CDU 15.00

Der andere Elefant heißt Friedrich Merz. Noch immer durchziehen die CDU Zweifel, ob er das Zeug zum Kanzler hat, die emotionale Stärke, die Souveränität. Seit Wochen werden Zahlen in der Partei herumgereicht, nach denen er das Potential der Union in der Wählerschaft nicht ausschöpft. Auch der Vorsitzende selbst scheint die Schwingungen zu spüren. Die Vorsicht, mit der er rhetorisch unterwegs war, spricht Bände.

Kurzum: Mit seiner Widerwahl kann Merz zufrieden sein. Erdbebensicher ist die Lage in der CDU nicht.

Читайте на 123ru.net