Generationenforscher Rüdiger Maas: "Sorry Chef, ich will eine Vier-Tage Woche und Home Office": Ist die GenZ wirklich arbeitsfaul?

Stern 
Generationenforscher Rüdiger Maas:

Sie sind öfters krank, machen weniger Überstunden und sind arbeitsfaul: Das sind verbreitete Urteile über die GenerationZ. Aber stimmt das auch? Generationenforscher Rüdiger Maas sieht das etwas differenzierter.

Ich bin 2002 in München geboren, habe 2021 mein Abitur gemacht und danach gleich meine journalistische Ausbildung angefangen. Für mich war schon früh klar, wohin es gehen soll. Immer wieder wird meiner Generation nachgesagt, dass wir weniger arbeiten wollen. Dass wir keinen Bock haben auf das Arbeitsleben. Mich macht das wütend, da nicht jeder Mensch aus meiner Generation, der ab 1995 geborenen GenerationZ, gleich ist.

Rüdiger Maas
Rüdiger Maas leitet das Institut für Generationenforschung in Augsburg
© Institut für Generationenforschung
Immer wenn ich dieses Vorurteil höre, gerate ich schnell in eine Rechtfertigung und möchte der älteren Generation beweisen, dass die GenZ nicht arbeitsunfähig ist. "Aber ich bin anders, aber ich mache doch alles, aber ich mache auch Überstunden." Doch das ist eigentlich schon falsch. So sieht das auch der Generationenforscher und Autor Rüdiger Maas. Denn ich gehöre einer Generation an, bei der sich das Arbeitsleben einfach verändert hat.

Rüdiger Maas ist Gründer des privaten Instituts für Generationenforschung in Augsburg. Dort haben wir uns für das Interview getroffen. Der Psychologe und Autor erforscht seit Jahren mit seinem Team das Leben der Generationen untereinander. Er ist einer der renommiertesten GenZ-Versteher, also mein perfekter Interviewpartner für dieses Thema.

Herr Maas, vor kurzem ist Ihr Buch mit dem Titel "Generation arbeitsunfähig" erschienen. Ist die GenZ wirklich arbeitsfaul, wie viele sagen?
Wir haben in unserer Studie über 4000 Menschen befragt und mehr als die Hälfte der GenerationZ hat die Aussage bestätigt : "Ja, wir wollen weniger arbeiten." Doch bei der Befragung haben wir keinen Referenzpunkt angegeben, also ab wann ist man faul oder fleißig. Das Spannende an der ganzen Sache ist, dass alle Generationen zurzeit tatsächlich die selben Dinge im Arbeitsleben wichtig finden. Das heißt, wir haben uns gesamtgesellschaftlich verändert. In anderen Worten: Wir sind alle wahrscheinlich ein Stück bequemer geworden, doch viele Ältere finden, dass eine Bequemlichkeit der jungen Generation noch nicht zusteht. Warum? Ein Gedanke der älteren Generation könnte sein: "Ich musste damals hart arbeiten und das war ganz normal. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, warum sollte das jetzt für junge Leute plötzlich angenehmer werden?"

Melden sich die GenZ wirklich öfters krank?
Ja, die Jüngeren haben statistisch mehr Krankheitstage und sind immer weniger bereit Überstunden zu machen. Doch nur weil eine Person keine Überstunden macht, heißt es nicht gleichzeitig, dass sie faul ist. Ich kann ja auch nicht sagen, dass eine Person langsam arbeitet, wenn sie Überstunden machen muss. Die junge Generation hat genau dieses Thema sichtbar gemacht. Da geht es einfach um die Effizienz und wieder um die Bequemlichkeit. Die Jüngeren kennen keine Welt ohne Bequemlichkeit - aufgrund der Digitalisierung. Ich kann mit meinem Smartphone neue Freunde kennenlernen, Filme anschauen oder auch schnell ein Wort nachschlagen. Das heißt: Ich kann jetzt schnell Dinge tun, die früher viel mühseliger waren. Viele Junge kennen mittlerweile keine andere Welt als die beschriebene.

"Work-Life-Separation", das lese ich oft in Bezug auf die GenZ. Was genau ist das und was hat das mit mir zu tun?
Mein Team und ich sehen bei der GenerationZ eine ganz klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Ganz im Gegenteil zu den Millennials oder Boomer. Da herrschte eher Work-Life-Blending, also eine Vermischung: Man nimmt die Arbeit auch gerne mal mit nach Hause oder man integriert die Arbeit mit der Freizeit. Sowas wie Yoga im Büro mit den Arbeitskollegen. Früher hat man sich mehr mit der Arbeit identifiziert und heute ist Arbeit nur noch ein Teil des Lebens und kein Lebensinhalt mehr. Damit hat Arbeit und Freizeit einen gleichen Stellenwert bekommen. 

Ich habe das Gefühl, dass jede ältere Generation in manchen Situationen auf die jüngere herabblickt. Hat das nicht was mit einem Generationenkonflikt zu tun?
Einen Konflikt würde ich das nicht nennen. Es prallen eben nicht einfach zwei Welten aufeinander, sondern man spricht mittlerweile aneinander vorbei. Gleichzeitig haben wir in unserer Studie folgendes herausgefunden: Die 20-Jährigen fordern die gleichen Dinge in der Arbeitswelt wie zum Beispiel ein 40-Jähriger. Wann hat es das schon mal gegeben in der Arbeitsgeschichte? Es ist wichtig, dass alle offen für Veränderung sind. Man muss die GenZ ernster nehmen, also ernsthaft ernster nehmen, ich sollte einen 18-Jährigen wie einen 18-Jährigen behandeln und nicht überbehüten oder in die Pfanne hauen. Junge Menschen lassen sich generell immer weniger gefallen. Das kommt hauptsächlich von der Erziehung, die die GenZ genossen hat. Es ist oft so, dass jüngere Menschen ihre Eltern eher als beste Freunde oder Berater sehen. Da hat sich die Rolle der Eltern verschoben. Durch die Erziehung haben junge Menschen infolge gelernt, dass sich die Umwelt in der Regel ihnen anpasst und nicht andersherum. Dadurch kommt auch das Verlangen, dass sich die Arbeit an einen anpassen soll.

Fazit: Alles ein Übersetzungsfehler

Mein ganz persönliches Fazit nach diesem Gespräch: Wir sind anscheinend alle ein Stück bequemer geworden, damals war es einfach anders, ohne Internet und ohne die Möglichkeit neue Arbeitskonzepte zu erschaffen. In vielen Arbeitsbereichen kann ich mir vieles aussuchen. Wir müssen heute nicht mehr in eine Bibliothek rennen, um ein Wort nachzuschlagen, unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter. Ich bin stolz auf meine Generation und möchte mich in Zukunft nicht mehr für die Vorurteile rechtfertigen.

Es ist also schlichtweg ein Übersetzungsfehler zu sagen, junge Menschen wollen weniger arbeiten. Mit mehr Offenheit und Verständnis im Arbeitsalltag könnte man sogar eine Brücke zu den Generationen bauen.

Читайте на 123ru.net